Ernst Kolb

Ernst Kolb kreuzte 1977 in Mannheim meinen Weg. Das war nichts Ungewöhnliches, denn „Bürger Kolb“, wie er später genannt wurde, lief vielen über den Weg. Ungewöhnlicher wäre gewesen, ihn nicht zu kennen. Er war überall dabei, besonders bei Vernissagen (die damals noch Ausstellungseröffnungen hießen). 1984 schrieb ich eine Kurzgeschichte über ihn, „Der Mann mit der Plastiktasche“, nach einem Utensil, das er immer bei sich trug. Sie erschien am 3. November 1984 im „Mannheimer Morgen“ und hob mit einem Schlag Kolbs Ansehen in der Stadt – einfach durch die Tatsache, daß ein Literat ihn als Held einer Kurzgeschichte ausgewählt hatte. Doch in Ernst Kolb steckte noch weitaus mehr. Insgeheim war er ein Künstler, und ein Jahr später überraschte er uns alle mit seiner ersten Ausstellung von Bleistift- und Kugelschreiberzeichnungen. Das manchmal noch belächelte Original entpuppte sich plötzlich als ernstzunehmender Zeichner.

Auf dem Höhepunkt seiner Popularität waren Ernst Kolb leider nur noch wenige Jahre vergönnt. Es gab noch einige Ausstellungen seiner Werke in Mannheim, ich schrieb noch eine Geschichte über ihn, die im „Bürgerbuch 1988“ erschien, ein Nachschlagewerk über die Stadt Mannheim, das jeder Haushalt kostenlos zugestellt bekam. Kolb war damit eine richtige Nummer in der Stadt.

1991 erlitt er einen Schlaganfall, 1993 starb er im Alter von 65 Jahren.

Wie das so geht: Erst in aller Munde, dann schlagartig vergessen. Das Schicksal vieler Künstler: Entweder, sie werden nach ihrem Tod erst richtig interessant, wie Kafka zum Beispiel, oder sie fallen der Vergessenheit anheim. Ich stand als einer der wenigen ihm noch verbliebenen Freunde an seinem Totenbett. Für mich war klar: Kolbs Andenken sollte gewahrt bleiben.

Familie hatte er keine mehr. Seine Mutter war schon 1941 von den Nazis in Grafeneck vergast worden (das wußten wir damals freilich nicht), sein Vater starb 1964, die ältere Schwester Ruth 1974 in Wiesloch. Wenig, nur das Allernötigste, hat er von sich erzählt. Keiner kannte ihn richtig, er hatte immer nur in der Gegenwart gelebt. Das waren schlechte Voraussetzungen, ihm ein literarisches Denkmal zu setzen. Ich versuchte es trotzdem. Ich nannte das Buch „Der Mann mit der Plastiktasche – Erinnerungen an den Bürger Kolb“. Es erschien im Jahr 2000 im Marsilius Verlag, Speyer.  Eine Biographie konnte es nicht sein, es war ein subjektives Erinnerungsbuch.

2009 erhielt ich Zugang zum bisher verschollen geglaubten Nachlaß, in dem sich auch Kolbs Tagebücher befanden. Allerdings in einer Sütterlinschrift, die schwer zu entziffern ist. Frank Heuer von den Dresdner Literaturnern half mir als Schriftexperte dabei. Das dauerte freilich, und so bin ich erst im Jahr 2013 mit meinem neuen Buch über Ernst Kolb fertig geworden.

Am 20. November 2013 erschien die Biographie “Ernst Kolb – Bäcker Bürger Künstler” im Wellhöfer Verlag in Mannheim (Näheres auch unter “Aktuelles” und “Bücher”).

Hier folgt ein Spezial-Blog über neue Erkenntnisse zu Ernst Kolb für Leser seiner Biographie, mit Erkenntnissen, die erst nach der Veröffentlichung des Buches mir bekannt wurden. Dieser Blog wird ständig weitergeführt. Personen, die Kolb noch persönlich kannten, sind eingeladen,weitere Details beizutragen.

Ernst Kolbs große Liebe Christa war die Tochter des Bäckermeisters Wilhelm Förster in der Gartenfeldstraße 14 in Mannheim-Neckarstadt. Nach den Unterlagen seiner Renten-Arbeiter-Versicherung war Ernst Kolb vom 1. Januar 1952 – 13. Juni 1953 beim Bäcker Förster beschäftigt, also genau in der Zeit, als seine Romanze mit Christa Förster begann. Wenn ein Bäckergeselle die Tochter seines Bäckermeisters heiraten will, so ist das keine ganz abseitige Verbindung und kann dem Geschäft nur guttun. Doch die Eltern, vor allem die Mutter, waren dagegen…
8.10.2014

Frau Saskia Kress lernte Ernst Kolb als Kind in der Galerie ihres Vaters auf dem Lindenhof kennen. Sie schrieb mir Folgendes:Mein Vater hatte in den 90er Jahren und darüber hinaus eine Galerie in Mannheim-Lindenhof “Galerie ArtecN°1″. Als Kinder waren wir immer bei den Ausstellungs-Eröffnungen dabei und haben Künstler, Sprecher, verschiedene Kunstrichtungen und einen Hauch von Mannheims Kunstszene kennen gelernt.
Irgendwann tauchte ein dicker Mann mit Plastiktüte und in einer karierten Jacke auf. Als Kind fand ich ihn faszinierend. Er passte so gar nicht zu den anderen. Meist setzte er sich mit einem Schoppen und etwas zu knabbern an den Tisch wo das Gästebuch lag und begann zu zeichnen im Gästebuch. Sein Blick war warm und freundlich und er war interessiert an jedem Gesprächspartner. Sogar an mir als Kind.. Beobachtend sah ich, wie er nur mit Kuli an einer Ecke beginnend ein Bild schuf, das voller Phantasie und entrückter Wirklichkeit war. Er zeichnete Menschen, wie ich es nicht kannte, aber so schnell und ohne Korrektur, dass es erschien, als sehe er ganz klar das fertige Bild schon beim ersten Kulistrich.”
20. 10. 2014

Heute wäre Ernst Kolb 87 Jahre alt geworden. Seinen Geburtstag nahm er immer wichtig, wenn ihm niemand gratulierte (da er keine Familie hatte), malte er schon mal selbst ein Gratulationsblatt für sich. Doch inzwischen denken andere Menschen an ihn, für die er nicht nur ein Original, sondern Mensch und Künstler war. Schön auch, daß noch bis zum 25. Oktober seine Zeichnungen in der Galerie Isola in Frankfurt am Main gezeigt werden.  22.10.2014

400 Jahre Rubens – auch die Geburtstage anderer Künstler waren Kolb wichtig. 1977 fuhr Ernst Kolb nach Antwerpen, um an den Feierlichkeiten des Rubens-Jahres teilzunehmen. Im Königlichen Museum der schönen Künste fand eine große Rubens-Ausstellung statt, gezeigt wurden 109 Gemälde und Ölskizzen und 64 Zeichnungen. Kolb hält sich circa zwei Wochen in Belgien auf, besucht auch noch Brüssel und besichtigt, wie es seine Art ist, sämtliche Museen und Sehenswürdigkeiten entlang seines Weges. (Aus seinem inzwischen entzifferten Tagebuch vom 15. Mai – 5. Oktober 1977.)
26. 10. 2014

Zu dem Beitrag von Frau Saskia Kress fand ich eine Zeichnung des weltbekannten Karikaturisten Bubec, der am 21. September 1985 in der Galerie Artect N°1 bei Nico Kress Kolb zeichnete. Bubec, unter dem Namen Lutz Backes in Mannheim geboren, hatte eine besondere Beziehung zur Stadt und sicher auch zu Ernst Kolb. (25. 2. 2015)

 

 

3 Gedanken zu “Ernst Kolb

  1. Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Sammlung mit sehr persönlicher Handschrift.
    Durch Zufall haben wir die Homepage mit Ihrem fabelhaften Ernst Kolb entdeckt.
    Beste Grüße
    Peter Ortner

  2. Fein! Ich gratuliere, Ihre Seite sieht prima aus, auch das farbige Foto von Kolb (beim Zeichnen ?) vor grossformatigen Zeichnungen sitzend, das ich bisher nicht kannte.

    Freundliche Grüsse,
    Peter Bolliger